In meinem Bekanntenkreis ist es längst bekannt, dass mein Herz für alte Technik schlägt. Vor Kurzem kam einer meiner Freunde auf mich zu und fragte, ob ich ihm bei der Restauration eines Rollers aus den 50ern helfen könnte. Die Vorgabe war, nicht alles neu zu machen, sondern Patina und Zustand zu erhalten. Nun ja, was soll ich sagen, ich konnte nicht „Nein“ sagen und so ergab sich eine sehr schöne Wiederbelebung dieses seltenen Stücks Motorradgeschichte.
Do. 17 Februar 2022
Die DKW „Hobby“ wird verladen und zu mir gebracht. Dazu kommen weitere Teile zu mir, und zwar ein Rumpfmotor, ein zweiter Tank und ein Vergaser. Ich freue mich, denn die „Hobby“ sieht auf den ersten Blick ganz gut aus.
Fr. 18 Februar 2022
Heute habe ich die Kleine mal genauer in Augenschein genommen, sprich: ich habe mir einen Überblick verschafft, was da eigentlich zu mir kam, wie es zusammengehört und was wohl dekfekt ist. Die erste Erkenntnis ist leider ernüchternd: Alle Züge klemmen oder sind ausgespleisst, der Gasgriff wackelt, die Vorderradbremse ist ohne Funktion usw., usw. Eigentlich geht gar nichts… Oh Mann, das geht ja gut los…. Was ich auf jeden Fall brauche:
- Züge: Kupplung, Gas, Fußbremse, Handbremse
- Luftfiltereinsatz DM 52mm
- Faltenbälge Gabel
- Zugstarter
- Luftfiltergummi
- Bremsbeläge vorn und hinten
- Benzinhahn
- Benzinschlauch
- Schrauben, Muttern, Unterlegscheiben uvm.
Nach mehrstündiger Rechereche im Internet wird mir klar, dass die „Hobby“ ein Exot ist und dass viele Teile schlichtweg nicht mehr aufztutreiben sind. Die Ersatzteilversorgung wird schwierig und auch teuer werden. Ich sage mir: „Einfach kann jeder“ und fange an, Gleichteile v0n anderen Rollern oder Mopeds aus den 50ern und auch aus den neueren Baujahren zu suchen. Ich suche z.B. bei klassischen Vespa-Händlern, den üblichen DKW-Händlern und manches scheint auch vom Tomos A35 Mofa zu passen. Aber mir wird bald klar, dass ich versuchen muss, möglichst viele Teile zu erhalten und wiederzuverwenden. Wenn das nicht geht, ist meine Krativität gefragt und ich muss Teile selber bauen oder mir halt irgendwas einfallen lassen. Mein Instinkt ist geweckt!
Sa. 19. Februar 2022
Die Tachowelle ist auch hinüber, kommt auf die große Liste der Ersatzteile
Mo. 21 Februar 2022
Ich bestelle, was ich halt bestellen kann: Züge bei DKW Greiner, Faltenbälge und Luftfilter bei einem bekannten Internet-Auktionshaus, usw. Doch beim Zugstarter hört´s schon auf: ein Originalteil ist im ganzen World Wide Web nicht aufzutreiben. Vielleicht passt da was vom VW Käfer? Ich muss da wohl was bauen…
Den Vergaser hab ich auch noch schnell zerlegt und im Ultraschallbad gereinigt. Er wird poliert und wieder zusammengebaut. Komischerweise saß ein Metallsplitter in der Schwimmernadel fest. Wo der wohl herkommt? Und wie üblich bei langer Standzeit war der ganze Vergaser voller Gammel und altem Sprit.
Di. 15. März
Nach kurzer Pause habe ich den Roller weiter zerlegt. Die Züge sind wirklich alle fest, da hilft kein WD40 oder sonst was. Die Schrauben sind größtenteils auch alle fest und natürlich auch vergammelt. Nur wenige Schrauben lassen sich öffnen und mehrere Schrauben reißen einfach ab.
Mo. 21. März
Heute habe ich das Vorderrad ausgebaut und die Faltenbälge entfernt. Muss ich erwähnen, dass die Schellen verrostet waren? Die dazugehörigen Schrauben sind natürlich bei der Demontage abgerissen. Ebenso hab ich die Halter des Schutzblechs bzw die Muttern abgedreht. Liegt´s an meiner unbändigen Kraft oder liegt´s am miesen Nachkriegsstahl? Egal, neue Halter werden notwendig. Clubkamerad Steine hat die Bügelschrauben „en perfection“ nachgebaut. Vielen Dank, Meister Steine!
Di. 22. März
Heute habe ich den Roller weiter zerlegt und den Motor ausgebaut. Oh, der Auspuff hat ein Loch. Nun ist das nicht unbedingt schlecht, der Auspuff soll ja die Abgase ins Freie führen und da ist ein Loch schon sinnvoll. Aber es sollte bei einem Loch bleiben, und zwar am Ende des Auspuffs. Ich habe den Auspuff gestrahlt, und mein „Werkstück“ hat Löcher wo sie nicht hingehören…
Danach habe ich mich an die Zerlegung des Rahmens gemacht und mir kommt der Dreck von 70 Jahren entgegen. Der Kupplungszug lässt sich nicht ausbauen, der Gaszug hängt und klemmt, der Fußbremszug klemmt und scheuert, die Welle ist auch noch verbogen. Am Ende des Tages habe ich die „Hobby“ vollends ganz zerlegt und sie liegt in Einzelteilen vor mir. Was habe ich mir da nur angetan?
Mi. 23. März 2022
Ich beginne mit der gründlichen Reinigung aller Teile, die Blechteile sind zum Glück in einem guten Zustand, sodass ich sie mit Owatrol einsprühe und konserviere. Die rettbaren Schrauben werden ebenfalls gesäubert und ich verbringe den Tag damit, alles zu sortieren und für den Wiederaufbau vorzubereiten.
Do. 24. März 2022
Was viele nicht wissen: Die „Hobby“ wird per Anzugseil gestartet, also wie bei einer Motorsäge. Der Griff ist irgendwann mal kaputt gegangen und es ist ein „Holzrugele“ mit einem „Knopf“ am Seil verbaut. Für Nichtschwaben: es ist ein Rundholz angebracht, das mittig mit einer Bohrung versehen wurde, wo das Zugseil hindurchgeführt und per Knoten befestigt wurde. Das Rugele wollte ich nicht wieder verwenden – aber kaufen wollte ich es auch nicht: 119 EUR für ein gebrauchtes Teil in zweifelhafter Qualiltät – das haut den stärksten Schwaben um! Wie eingangs erwähnt ist meine Kreativität gefragt und ich beginne zu überlegen….. In meinen Kindheitstagen hatten die 190er Mercedes doch so einen ähnlichen Griff an der Heckklappe…. Wieder einmal quäle ich mich suchend durch´s World Wide Web und tatsächlich: so ein Griff könnte passen. Und mit 15 EUR ist er deutlich günstiger als das Originalteil. Mit ein paar Modifikationen sollte der Griff doch auch für meine „Hobby“ passen.
Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen finde ich! Anfangs benutzte ich eine Lüsterklemme, um das Seil zu fixieren, aber trotz zweier Schrauben hielt die Klemme dem Zug nicht stand. Ich habe dann eine Dosenklemme verwendet, und jetzt hält´s!
Di/Mi. 29. und 30. März 2022
Ich baue die „Hobby“ Stück für Stück wieder zusammen und stelle fest, dass am Kettenrad eine Schraube locker ist. Und drei Schrauben fehlen gleich ganz! Ich habe neue Schrauben und Scheiben eingesetzt sowie selbstsichernede Muttern verwendet – jetzt hebt´s wieder.
Do. 31. März
Und weiter geht´s mit dem Zusammenbau. Ich montiere den Tank, das gesamte Heck kommt an seinen Platz und auch das Rücklicht wird wieder angeschraubt. Die Anschlußschraube für das Kabel für die Rückleuchte war abgedreht (keine Überraschung) und ich musste ein neues Gewinde schneiden, eine vernünftige Schraube reindrehen und ein neues Kabel verlegen. Einen neuen Bolzen für die Sitzhaube habe ich selbst angefertigt und mit zwei selbstsichernde Muttern und Scheiben befestigt. Ausserdem habe ich die grösseren Blechteile wieder mit Owatrol konserviert.
Mo. 04. April 2022
Heute wird der Motor und das Getriebe frisch eingestellt. Dafür habe ich das Handbuch zu Rate gezogen. Bei der Kontrolle des Getriebeöls wurde schnell klar: da ist nix mehr drin (nix, null, nada). Die 85ml SAE80 waren schnell nachgefüllt, doch die „Hobby“ zeigte sich -pardon- inkontinent. Ich habe die Ölablasschraube in Verdacht, also alles nochmal raus und Schraube abgedichtet. Jetzt war´s dicht.
Do. 7. April 2022
Den Benzinhahn musste ich auch reparieren. Klubkamerad Steine hat mir einen M16x1 auf M12 x1-Adapter gedreht, wie immer passt Steine´s Lösung super genau. Ich habe den Benzinhahn montiert, aber trotz der Verlängerung war er immer noch zu kurz. Dann haben wir mit einem Messingröhrchen verlängert auf insgesamt 13,5 cm, dann hat´s gepasst. Die Ölablassschraube ist doch nicht dicht, da sind verdächtige Öltropfen auf dem Werkstattboden.
Di. 12. April 2022
Der Lenkerendenspiegel ist vermutlich durch Umfaller abgebrochen – leider. Habe noch keine Idee wie und was man mit den abgebrochenen Aluminiumteil anstellen kann. Schweißen geht ja nicht. Ganz nebenher habe ich noch einen DKW-Autounion-Wimpel gebastelt. Sagte ich bereits, dass ich kreativ bin?
Di 19. April 2022
Heute ist der Auspuff dran. Die Löcher habe ich mit Auspuffkit und Glasfasermatten rings rum abgedichtet und mit Hochtemperaturlack schön schwarz gemacht.
Mi. 20. April 2022
Zum ersten Mal seit vielen Jahren bekommt die Kleine frischen Sprit. Die 5 Liter 1:25 Mischung sind schnell eingefüllt. Tank und Benzinhahn sind dicht, doch „oh no“ der Vergaser tropft. Sieht so aus also ob die Schwimmernadel hängt. Also wird der Vergaser wieder ausgebaut und v.a. die Schwimmerkammer auseinandergenommen. Die verflixte Schwimmernadel hängt immer noch, dann habe ich das ganze nachgestellt und alles wieder zusammengebaut, jetzt ist dicht.
Der erste Startversuch war erfolgreich: Hurra! Der Roller läuft, das Licht leuchtet und die Hupe hupt. Was will man mehr?
Dann kommen noch ein paar Restarbeiten: Spiegel dranbauen und Ölschraube nochmal richten. Einmal rund um den Roller alle Schrauben nachziehen und Leitungen mit Kabelbindern sichern.
Mo. 25. April 2022
A propos Spiegel… ich habe noch einen alten runden Motorradspiegel von einer Virago, der passt in etwa zum Durchmesser des abgebrochnen Alu-Teils. Das Aluteil war schnell plan gefeilt und ein 4,2mm Loch für ein M5 Gewinde hab ich auch schnell gebohrt und das passende Gewinde geschnitten. Am Spiegel hab ich auch das Teil abgesägt, plan gefeilt und ein Gewinde reingeschnitten. Dann hab ich das Ganze verschraubt und mit Knetmetall die Übergänge vom Alu auf Messing angepasst. Das Rot passt nicht ganz, aber hey, ich habe wieder einen tauglichen Spiegel!
Leider habe ich immer noch mit Ölverlust zu kämpfen, aber das bekomme ich auch noch weg.
Ende April
Endlich bin ich fertig mit der „Hobby“. Das Projekt hat doch eine ganze Menge Zeit gekostet aber es hat auch einen mords Spaß gemacht. Die DKW „Hobby“ als Automatik-Roller der 50´er Jahre ist schon was ganz besonderes und nicht an jeder Ecke zu finden. Aber das war auch der Reiz an der Aufgabe.
Sobald das Wetter besser wird gehe ich auf eine grössere Probefahrt.
Viele Grüße
Rudi